Samstag, 28. Februar 2009

Pantomime und Clown

Eine Ausnahme unter den Artisten macht der Clown. Er ist der einzige im Zirkusprogramm, der - meistens ohne viele Worte - eine Geschichte erzählt. Entscheidend für seine Nummer ist nicht nur die artistische Leistung, sondern vor allem der szenische Inhalt, den er spielt. Da seine Arbeitsbedingungen - die Manege und der riesige Zuschauerkreis -, optisch gut und akustisch weniger gut sind, muß der Clown in erster Linie Pantomime sein. Das ist nicht so zu verstehen, daß der Clown unbedingt mit den Illusionstechniken arbeitet (auch das kommt vor, zum Beispiel in der traditionellen Reprise mit dem Gewicht, das zunächst furchtbar schwer, dann aber doch nur aus Pappe ist), sondern in dem Sinne, daß er seine Gemütsbewegungen körperlich auszudrücken weiß. Die Kunst der Haltung ist auch das Handwerkszeug des Clowns. Der Clown steht dem Pantomimen insofern am nächsten, als auch er bis zum Grotesken überhöht.

Anke Gerber, Anatomie der Pantomime, Hamburg-Zürich 1985, S.191.

Mittwoch, 25. Februar 2009

Jean S o u b e y r a n - Die Maske

Die Maske schafft eine Distanz zwischen dem Mimen und dem Publikum. Dadurch, daß der Mime sein menschliches Gesicht verliert, entfernt und vergrößert er sich für das Publikum. Er wird eine Wesenheit, eine Statue in Bewegung. Beim Menschen mit unbedecktem Gesichtwird der Blick des Betrachters immer von dessen Blick angezogen, der Körper ist dabei von sekundärer Bedeutung. Das verborgene Gesicht dagegen integriert vollständig den Körper, es verschwindet und bringt dadurch den Kopf zur Geltung. Der Kopf erhält jetzt eine viel größere Wichtigkeit, er muß das Gesicht ersetzen.
Vom Mimen aus gesehen, entfernt ihn die Maske vom Zuschauer. Dieser Schleier, der sein Gesicht bedeckt, ist eine Schranke, die ihn schützt. Die letzte Zurückhaltung, die letzte Schüchternheit und Angst werden durch das Tragen der Maske weggenommen - die Maske ist ein befreiendes Element.
Das Bewußtsein, das das Gesicht verborgen ist, zwingt dazu die Aktion auf den Körper zu konzentrieren. Durch die Notwendigkeit eines bestimmten Verhaltens, bei dem das Gesicht nicht existiert, wird der Mime sich selbst fremd, steht über sich selbst. Sein Körper zwingt ihn, diesen als ein Wesen anzusehen, das nicht zu ihm gehört, das er von innen her lenken muß und dem er Leben verleihen muß, sowie ein Marionettenspieler seinen Puppen Leben verleiht.

Jean S o u b e y r a n - Die wortlose Sprache, Zürich 1984, S.92f.

Dienstag, 17. Februar 2009

Meyerhold über Theaterkunst

Ein Schauspieler kann nur dann improvisieren, wenn er innerlich froh ist. Ohne die Atmosphäre schöpferischer Freude, künstlerischen Frohlockens wird ein Schauspieler sein Talent nie in ganzer Fülle offenbaren können. Darum rufe ich den Schauspielern bei den Proben so oft "Gut" zu, obwohl es nicht gut, noch gar nicht gut ist. Aber der Schauspieler hört dieses "Gut!", und siehe da - er macht seine Sache wirklich gut. Man muß mit Lust und Freude arbeiten! Wenn ich bei der Probe böse und gereizt bin (das kommt ja auch einmal vor), so bereue ich das nachher zu Hause und mache mir bittere Vorwürfe, Gereiztheit des Regisseurs nimmt dem Schauspieler die Unbefangenheit. Sie ist genauso unzulässig wie hochmütiges Schweigen. Wer die fragenden Blicke der Schauspieler nicht fühlt, der ist kein Regisseur.

Alexander Gladkow, in: Theateroktober, Leipzig, 1972, S.203f.

Freitag, 6. Februar 2009

Humor und Satire

"Satire verzeiht nicht und darf auch nicht immer verstehen. Der Kabarettist muß sich auch dummstellen können, zum Beispiel, wenn er scheinbar Gesichertes in Frage stellt. Er spielt den dummen August und rückt mit der ernsthaftesten Selbstverständlichkeit das Klavier an den Hocker heran.
Ernst übrigens ist Grundvoraussetzung für Komik. Übertriebene Tragik wirkt leicht komisch. Übertriebene Komik wirkt lächerlich. Der Kabarettist hat lächerlich zu machen, darf aber um den Preis der Glaubwürdigkeit nicht lächerlich sein.
Eine Binsenweisheit für Komiker lautet: Bleibe ernst, wenn du die Leute zum Lachen bringen willst. Spiele die komische Situation nicht komisch oder lustig, sie könnte albern werden und sich so selbst aufheben. Natürlich lachen die Zuschauer auch über Albernheiten. Aber das Lachen im Kabarett sollte ja nicht Selbstzweck sein. Das ist vielleicht der wesentlichste Unterschied zwischen einem Komiker und einem Kabarettisten, einem Satiriker und einem Humoristen - dieser bringt die Leute zum Lachen, damit sie fröhlich sind, jener, damit sie nachdenklich werden..."
(Peter Ensikat, in: Kabarett heute, Berlin 1987, S.101)

Foto: Der Komiker Hape Kerkeling

Donnerstag, 5. Februar 2009

Der Russische Staatszirkus

Ein Gespräch mit Alexander Dmitrijewitsch Kalmykow, dem Verdienten Künstler Russlands, dem Intendanten des Russischen Staatszirkus.

Der heutige russische Zirkus ist - historisch gesehen - eine der größten Zirkusgesellschaften in der Welt. Er besteht aus über 70 Betrieben - dazu gehören u.a. 40 feste Zirkusgebäude, 11 mobile Zirkusunternehmen und 8 Tierschauen. Für ihn - wie auch für das russische Kino - ist der 26. August 1919 ein bemerkenswertes Datum. Da nämlich unterschrieb Lenin das Dekret über die Nationalisierung aller Zirkusse - einschließlich der kleinen Zirkusgruppen. War nun diese totale Nationalisierung gerechtfertigt? Hat der Staat nun eine der "freiesten Künste" unterdrückt?

Alexander Kalmykow ist in dieser Frage absolut eindeutig. Als Schauspieler in der dritten Generation (der Großvater war Schauspieler, der Vater arbeitete viele Jahre im Theater und im Zirkus) ist Kalmykow davon überzeugt: Die Nationalisierung war gut und richtig, weil außer einigen seltenen Zirkussen - wie Giniselli oder Salomon in Moskau, Nikitin an der Wolga (das Satirische Theater war übrigens der ehemalige Zirkus Nikitin) - alle übrigen ein elendiges Dasein fristeten.

Alexander Kalmykow ist zutiefst davon überzeugt, und darüber schrieb er schon mehrmals und äußerte sich im Rundfunk und im Fernsehen, daß jede beliebige Kunst - sei es die Literatur, das Kino, das Theater, die Musik, insbesondere die Klassische, - staatliche Unterstützung benötigt. Wie teuer an der Mailänder Scala die Eintrittskarten auch sein mögen, niemals kann dieses Geld beispielsweise auch nur eine Aufführung Cefirellis decken. Ebenso ist es am Bolschoi-Theater...

Manchmal wird gesagt: Und was ist mit den großen privaten Zirkussen? Doch man kann tatsächlich nirgendwo in der Welt von einem "privaten" Zirkus reden. Der weltbeste Zirkus, der kanadische "Cirque du Soleil" ist ein staatliches Unternehmen, er wurde als Zirkus von Französisch-Kanadas gegründet. Das gleiche gilt auch für den besten deutschen Zirkus - Roncalli: Er lebt auch von staatlicher Unterstützung. Wir haben in Moskau den Zirkus Nikulin - es ist ein staatlicher Zirkus, der mit staatlichen Geldern aufgebaut ist. Er ist kleinen Gruppe von Enthusiasten vorübergehend zurückgegeben worden, damit sie das Gebäude verwenden konnten...

Quelle: http://www.circus.ru/new.php?id=558